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Die Corona-Krise in China und Ihre Auswirkungen auf den Maschinenbau in OWL


Die Corona-Krise nahm ihren Anfang in China. Dort wurden Städte und Provinzen komplett abgeriegelt. Auch viele Unternehmen aus OWL produzieren mit eigenen Werken in China. Wir wollen wissen, welche Erfahrungen sie gemacht haben und wie die Wirtschaft in China wieder anläuft.  

 

Herzlichen Dank an Heiner Wemhöner, Wolfgang Wiele und Christian Buck für Ihre Einblicke!


Herr Wemhöner, wie verlief die Corona-Krise für Ihr chinesisches Werk und wie ist der Stand heute?  
Heiner Wemhöner, geschäftsführender Gesellschafter Wemhöner Surface Technologies, Herford

Wemhöner fertigt seit 2007 in der Stadt Changzhou (5,3 Mio. Einwohner, 165 km nordwestlich von Shanghai) Maschinen und Anlagen für die Oberflächenveredlung von Holzwerkstoffen. Wichtigste Kundengruppe in China ist die dortige Möbelindustrie, aber wir exportieren unsere Maschinen auch nach Südostasien und andere Gebiete. Zurzeit beschäftigen wir in Changzhou 170 Mitarbeiter. 

 

Wie alle chinesischen Firmen hatten wir unser Werk zum chinesischen Neujahresfest für eine Woche offiziell geschlossen. Unser chinesischer Geschäftsführer befand sich deshalb auf einem geplanten Urlaub in Deutschland als uns beide die Nachricht erreichte, dass sich das Virus verbreitet hatte. Wir haben dann beschlossen, unsere Firma zunächst für eine weitere Woche zu schließen, um unsere Mitarbeiter zu schützen. Aus einer Woche wurden dann zwei Wochen und schlussendlich 2,5 Wochen, so dass unser Unternehmen alles in allem für 3,5 Wochen geschlossen war. 

 

Seit dem 20. Februar arbeiten wir wieder ganz normal. Bis auf drei Personen sind alle Mitarbeiter wieder zugegen. Auch unsere Lieferanten beliefern uns pünktlich. Ende März konnten wir auch schon wieder erste Aufträge von chinesischen Kunden akquirieren. Mit meinem chinesischen Geschäftsführer bin ich regelmäßig in telefonischem Kontakt und lasse mir die Lage vor Ort erklären. 

 

Meine persönliche Meinung ist, dass es an der konsequenten Haltung der chinesischen Regierung gelegen hat, die nicht – wie z.B. wir in Deutschland – die Dinge nach und nach angeschoben hat, sondern sehr konsequent und sehr schnell alles eingeschränkt hat. Hier in Deutschland wurde zunächst nur sehr zögerlich gehandelt. Erst seit Kanzlerin Merkel in ihrer wichtigen Sonntagsrede das Richtige bekanntgegeben hat, scheint sich auch bei uns das Virus nicht mehr so schnell zu verbreiten. 

 

Da wir in unserem Werk in Deutschland keine Lieferungen aus China bekommen und wir auch so gut wie keine Lieferungen von Deutschland nach China tätigen, war auch unser deutsches Unternehmen nicht von der Situation in China betroffen. Unser deutsches Unternehmen kauft die Zulieferteile überwiegend in Deutschland bzw. in europäischen Nachbarländern ein. Wir sind bis heute nicht wirklich von Lieferengpässen betroffen. Auch dürfen wir in Deutschland unsere Produktion weiter aufrechterhalten und unsere Anlagen weiterhin an unsere Kunden liefern. 



Herr Wiele, welche Auswirkungen hatte die Corona-Krise auf Ihr chinesisches Werk?  

 

Wolfgang Wiele, CTO, KEB Automation KG, Barntrup

Erstmal können wir sagen: Zum Glück sind bisher keine Mitarbeiter erkrankt. Nach den Ferien um das chinesische Neujahrsfest am 25. Januar haben wir – mit reduzierter Mannschaft und um eine Woche verzögert – am 10. Februar die Arbeit wieder aufgenommen. Mitarbeiter, die in der Provinz Hubei waren, durften nicht wieder arbeiten. Mitarbeiter aus dem Vertrieb und den technischen Abteilungen arbeiten im HomeOffice. Der Transport von Ware in China verläuft weitestgehend störungsfrei, allerdings ist der internationale Warenaustausch schwierig. Wir stellen in China mit circa 100 Mitarbeitern Produkte für die Antriebstechnik und die Maschinenautomation her. (siehe https://www.keb.de sowie https://www.keb.de/index.php?id=740) 

 

Welche Maßnahmen wurden dort ergriffen und lassen sich diese eventuell auf Deutschland übertragen? 

 

In der chinesischen Fabrik und im Büro tragen die Mitarbeiter Masken, hinzu kommt regelmäßiges Händewaschen und sozialer Abstand von 1,5 Meter zwischen Personen. Die Temperatur der Mitarbeiter wird gemessen, bevor sie die Fabrik oder das Büro betreten und jeder Mitarbeiter erklärt täglich seinen Gesundheitszustand über eine App. In der Kantine wird nicht mehr gekocht sondern nur noch erwärmte Mahlzeiten verteilt. Die Klimaanlagen, über die im Winter erwärmte Luft verteilt wird, sind ausgeschaltet. Und natürlich informiert das lokale Management die Mitarbeiter kontinuierlich über die aktuelle Situation. Diese Maßnahmen lassen sich teilweise auch in Deutschland anwenden – unter Berücksichtigung des Daten- und Personenschutz. Für das Beispiel unserer Firmenzentrale in Barntrup heißt das etwa: Mindestabstand zwischen den Mitarbeitern, wer kann arbeitet mit Kollegen wechselnd aus dem Homeoffice, viele digitale Besprechungen und die Kantine ist geschlossen. 

 

Sehen Sie Veränderungen im globalen Handel? 

 

Industrie und Handel sind weltweit eng miteinander verknüpft. Beschaffung, Produktion und Vertrieb erfolgen bei KEB in Europa, Asien und Amerika. Wir prüfen kontinuierlich alle Risiken, die aus diesen Geschäftsbeziehungen entstehen können und justieren dann nach. Aber eine grundsätzliche Neuorientierung nach Corona sehe ich für unser Unternehmen nicht. 



Herr Buck, wie verlief die Corona-Krise für Ihr Werk in China? 

 

Christian Buck, General Manager, MIT (Wuhan) System Valves Co., Ltd.

Unser Werk MIT (Wuhan) System Valves Co., Ltd. fertigt mit 20 Mitarbeitern Schweißbaugruppen sowie Trichter und Tanks im Schwerpunkt für Food&Pharma. Die Firma liegt im Epizentrum der Corona-Krise in China, nur wenige Kilometer von dem großen Markt in Wuhan entfernt, der als Ausgangsort des Virus gilt. Unsere Mitarbeiter sind am 20. Januar 2020 in die Feiertags-Ferien zum Chinesischen Neujahr gegangen. Am 24. Januar wurde dann die Ausgangssperre verhängt. Der Industriepark, in dem sich unser Unternehmen befindet, wurde zur Sperrzone erklärt und das davor liegende Hotel als Quarantäne-Hotel umfunktioniert. Das Stadion mit den vielen Betten als Not-Krankenhaus, das in der Presse oft gezeigt wurde, befindet sich an der gleichen Straße und liegt auf unserem täglichen Arbeitsweg.

Alle Mitarbeiter befanden sich die ganze Zeit in Wuhan und Umgebung (Hubei-Provinz) und waren alle die gesamte Zeit von der Ausganssperre betroffen. Die dort getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung überstiegen bei weitem die Maßnahmen, die aktuell in Deutschland herrschen. Alle haben 2 Monate in ihren Wohnungen verbracht, ohne Möglichkeit diese zu verlassen. Glücklicherweise waren alle Mitarbeiter und auch ihre Familien nicht direkt von Erkrankungen oder Todesfällen betroffen. Letztendlich konnten wir endlich am 30. März 2020, nach mehr als zwei Monaten, die Arbeit wieder aufnehmen.  

  

  

Gab es spezielle Maßnahmen, die Sie dort ergriffen haben?  

 

Zur Wiederaufnahme der Tätigkeiten mussten wir viele Voraussetzungen schaffen. Dazu gehörten einerseits die lückenlose Protokollierung des täglichen Gesundheitszustandes jedes einzelnen Mitarbeiters mindestens 10 Tage vor Wiedereröffnung, die Besorgung von Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln in ausreichender Menge, die Erstellung strikter Anweisungen für Hygiene und Miteinander sowie Evakuierungs- und Verhaltenspläne bei Verdachtsfällen.

Zu den Anweisungen gehören zum Beispiel das vollflächige Desinfizieren des gesamten Gebäudes zweimal täglich, Fiebermessungen und Protokollierung am Eingang, Abstandsregeln von 1,5m auch zu Pausenzeiten und Mittagessen und die Desinfektion der Autos nach jeder Benutzung. Und das Tragen eines Mundschutzes ist – wie in Asien üblich – zu jederzeit Pflicht.

Ohne diese Maßnahmen ist es nicht möglich, ein Zertifikat zur Eröffnung zu erhalten, das Voraussetzung für alle Mitarbeiter ist, die Erlaubnis zum Verlassen der Wohnung zu erhalten. Der Nachweis erfolgt über eine spezielle App auf dem Mobiltelefon mit einem QR-Code. 

  

Abgesehen von dem zusätzlichen Aufwand für die Einhaltung der Hygiene-Regeln läuft die Produktion seit Mitte letzter Woche (2. April) mit der gesamten Belegschaft wieder planmäßig. Der größte Teil unserer Zulieferer liegt außerhalb der Hubei-Provinz und liefert wieder, die kleineren Zulieferer in der Nähe der Firma arbeiten ab spätestens 9. April ebenfalls wieder, so dass die Logistik gesichert ist. Probleme bereiten noch der Import und Export, einerseits durch die Pandemie in anderen Teilen der Welt, aber auch durch die extrem gestiegenen Preise für Luftfrachten aufgrund der geringen Anzahl internationaler Flüge. Eine schwelende Bedrohung ist eine erneute Schließung des gesamten Werkes bei Auftreten einer Erkrankung in unserem Team als Quarantäne-Maßnahme trotz aller eingehaltenen Vorschriften. 

  

Natürlich geht eine unplanmäßige Schließung von mehr als 2 Monaten finanziell nicht spurlos am Unternehmen vorüber. China hat viele Hilfen für KMU gewährt, von denen auch wir profitieren durften, dazu gehören verminderte Sozialabgaben und auch Rückzahlungen, Einmal-Entschädigungen, Miet-Reduzierungen und Aufschub von fälligen Zahlungen und Gebühren. Die größte Herausforderung ist die Liquidität in den ersten Wochen nach Wiedereröffnung. Und die größte Bedrohung ist die mittelfristige fehlende Aussicht der wirtschaftlichen Entwicklung weltweit und somit die Ungewissheit, ob in der zweiten Jahreshälfte fehlende Umsätze wettgemacht werden können, oder doch ein Markteinbruch in der Breite unserer Kunden zu verzeichnen ist. 

  

  

Was sind Ihre Lehren für die Zukunft? 

 

Das ist eine schwierige Frage. Es scheint logisch, nun eine stärkere „Nationalisierung“ zu fordern und Lieferketten und Produktionsmöglichkeiten wieder verstärkt in der eigenen Firma oder im eigenen Land zu suchen. Andererseits ist die Welt global und vernetzt, jedes Land hat seine Schwerpunkte und Stärken, von denen alle anderen profitieren können. Als MIT (Wuhan), das mehr als 50% seiner Umsätze mit dem Export nach Deutschland generiert, kann eine nationale Strategie nicht in unserem Interesse sein. In der MIT-Gruppe versuchen wir schon seit längerem das Risiko von Lieferungen durch vernünftige Lagerbestände abzusichern, die die Dauer zwischen zwei Container-Lieferungen abdecken. Dadurch und durch die Möglichkeit Schiffslieferungen auf die Bahn zu verlagern, haben wir einen ausreichenden Puffer, der sogar diese vergangenen zwei Monate bis auf ganz wenige Ausnahmen abgefedert hat. Und unsere deutschen Kunden profitieren von kurzen Lieferzeiten ab Lager in Vlotho. Vielleicht sollten wir also lieber statt „Nationalisierung“ über das Risiko von „Just-In-Time“ und die Etablierung von „Zweit-Lieferanten-Strategien“ nachdenken, die länderübergreifend ausgelegt sind. 



Photo by chuttersnap on Unsplash

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