Einblicke
(Digitaler) Vertrieb in Corona Zeiten
Reise- und Kontaktbeschränkungen stellen den Vertrieb als auch das Marketing der (Maschinenbau-)Unternehmen vor eine große Herausforderung. Außendienstler können ihre Kunden nicht mehr besuchen, Messen fallen aus, Meetings werden digital.
Wir haben nachgefragt, wie Unternehmen aus unserem Netzwerk dieser Herausforderung begegnen.
Herzlichen Dank an David Krampe (Lenze), Alexander Niemann (Smartsquare) und Jens Edler (Wago).
Herr Krampe, mit welchen Herausforderungen waren Sie im Vertrieb/Marketing in den letzten Wochen konfrontiert?
Lenze ist eine global operierende Firma mit Vertriebsbüros in über 60 Ländern. Daher gibt es natürlich lokale Unterschiede, aber grundsätzlich sind in unserer Branche Messen, aller Digitalisierung zum Trotz, nach wie vor das dominierende Marketinginstrument. Sie sind zum einen wichtig für klassisches Networking und das Vertiefen bestehender Kontakte, zugleich finden hier aber auch viele Erstgespräche statt, die dann im Nachgang in weiteren persönlichen Gesprächen vertieft werden. Das fällt aktuell alles komplett weg, also gilt es für uns in Marketing und Vertrieb Mittel und Wege zu finden, sowohl ausreichend neue Kontakte zu generieren aber natürlich auch die tägliche Zusammenarbeit mit unseren Kunden komplett über digitale Kanäle sicherzustellen.
Mit welchen Ideen und (digitalen) Lösungen sind Sie daran gegangen? Wie sind Ihre Erfahrungen?
In der täglichen Vertriebsarbeit profitieren wir von unserer guten digitalen Infrastruktur. Lenze hat bereits vor längerem auf Office365 umgestellt, so dass unsere Kollegen beispielsweise den Umgang mit MS Teams gewohnt sind und wir sofort viele Kundengespräche auf diesen Weg umgestellt haben. Gerade in der gemeinsamen Arbeit an kollaborativen Entwicklungsprojekten bieten sich hier ohnehin, ganz unabhängig von der aktuellen Pandemie, durchaus auch Vorteile gegenüber der analogen Welt.
Auch im Marketing haben wir zum Glück schon über die letzten zwei Jahre viel in die Digitalisierung investiert. Die Basis für viele Aktivitäten bildet unsere neue Homepage, die wir vor gut einem Jahr gelauncht haben sowie eine schlagkräftige Marketing Automation Suite im Hintergrund, über die wir gezielte Kommunikationsstrecken zu unseren Zielgruppen aufbauen können. Bei beiden sehen wir hier seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich verstärkte Aktivitäten – und die reichhaltige Datenbasis ist ja aus Sicht des Marketeers eine der großen Stärken digitaler Kanäle.
Ein Instrument, was wir seit der Pandemie verstärkt einsetzen, sind Webinare. Zum einen höchst professionell produziert von uns aus der Zentrale, aber auch durchaus mal etwas hemdsärmeliger vor Ort in den lokalen Vertriebsgesellschaften. Beide Varianten kommen bislang sehr gut an. Sowohl unsere Bestandskunden als auch neue Kontakte bescheinigen uns, dass sie hier wertvolle Impulse mitnehmen, die für uns dann in der Vertriebsarbeit zugleich wieder wichtige Ansatzpunkte für Folgeaktivitäten bieten. Man muss aber auch konstatieren, dass im Bereich der Webinare gerade zahlreiche Angebote aus dem Boden schießen und auch hier sofort ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit entsteht. Wie im Analogen bei Messen gilt es also auch hier, sich mit einem klarem Profil und fokussierter Kundenorientierung abzugrenzen und deutliche Nutzenvorteile aufzuzeigen.
Auch die Webinare sind übrigens natürlich wieder eingebettet in unsere Homepage als zentrale Kommunikationsplattform sowie beworben durch zielgerichtete Kommunikationsstrecken, die wir über unsere Marketing-Automationslösung crossmedial ausspielen. Im Kontext von Corona und dem verstärkten Fokus auf digitale Kanäle haben auch unsere Social Media Kanäle, allen voran LinkedIn, eine erneute Aufwertung erfahren. Unsere digitalen Kampagnen unter anderem zu den Themen, die wir auf den nicht stattfindenden Messen und Veranstaltungen gespielt hätten, verlängern wir auch auf unseren Social Media Kanälen.
Welches davon wird auch nach der Corona-Krise weiter verfolgt bzw. ändert sich der Vertrieb dadurch?
Darüber wird jetzt ja an allen Ort breit spekuliert und ich habe schon ganz unterschiedliche Thesen gelesen. Persönlich denke ich, dass wir zum einen auf ganz vielen Ebenen lernen, wie viele Themen sich auch im virtuellen Kontakt bestens bearbeiten und lösen lassen. D.h. ich halte es durchaus für möglich, dass gerade Dienstreisen etwas abnehmen und man mehr Themen in virtuellen Meetings klärt. Zugleich merkt man aber auch, was im Virtuellen eben fehlt und zu kurz kommt: Das soziale Miteinander, der menschliche Aspekt. Das ist im vertrieblichen Kontext nicht anders als beispielsweise in der Zusammenarbeit im eigenen Team. Ähnlich schilderte es ja auch Herr Olesch von Phoenix Contact vor kurzem hier im Portal in seinem Beitrag zu Arbeitsweisen in Zeiten von Corona. Wir haben bei mir im Team zum Beispiel sofort eine kurze virtuelle Kaffeepause eingeführt, zu der jeder, der Lust und Zeit hat, herzlich eingeladen ist. Das klappt zwar richtig gut – ich glaube ich darf hier aber für alle sprechen, dass wir uns trotzdem sehr darauf freuen, wieder ganz ungezwungen gemeinsam an Ort und Stelle miteinander Lachen zu können.
Herr Niemann, wie sahen Ihre Herausforderungen im Vertrieb in den letzten Wochen aus?
Als der Ernst der Corona-Krise deutlich wurde, kam die Vertriebsarbeit zunächst praktisch über Nacht zum Erliegen. Unsere Kunden hatten dringende Probleme im eigenen Tagesgeschäft zu lösen. Mit uns über strategische Investitionsprojekte zu sprechen, musste da verständlicherweise erst einmal hintanstehen. Bis zum Ende der Osterferien waren wir deshalb vertrieblich in einer unangenehmen Zwangspause. Inzwischen schauen aber viele Interessenten und Bestandskunden wieder in die Zukunft und fragen, wie sie sich mit individuellen Softwarelösungen besser für die nun wohl schwieriger werdenden Zeiten aufstellen können. Dadurch habe ich für die nächsten zwei Wochen auf einmal doppelt so viele Vertriebstermine im Kalender, wie in der Zeit vor dem Lockdown. Und weil unser Vertrieb sehr beratungsintensiv ist, sind diese Termine online manchmal schwierig durchzuführen.
Wie lösen Sie dies?
In unseren Vertriebsterminen müssen wir zunächst ein grundsätzliches Verständnis für die Herausforderungen unseres Interessenten bekommen. Nur so können wir ja mögliche Lösungen skizzieren und anbieten. Ich sitze dann mit mir bisher unbekannten Menschen zusammen, stelle mehr oder wenige schlaue Fragen, zeichne schnell etwas ans Whiteboard, zeige ein Referenzprojekt am Beamer oder lasse mir umgekehrt vorhandene Anwendungen oder Dokumente im Firmennetzwerk zeigen. Wie es genau läuft und wie die persönliche Chemie ist, weiß man vorher nie genau. Das ist schon in physischen Treffen eine spannende Angelegenheit, virtuell sind die Hürden noch schwerer zu nehmen.
Deshalb starten wir normalerweise mit Google Meet, so dass man sich zumindest sehen und Bildschirminhalte teilen kann. In unserem Besprechungsraum haben wir zudem eine steuerbare Weitwinkel-Kamera, die man auf das Whiteboard richten und ansatzweise gemeinsam arbeiten kann. Das deckt die meisten Vertriebstermine ganz gut ab. Wenn wir intensiver in die Analyse einsteigen, setzen wir zusätzlich auf Mural mit seinem riesigen Funktionsumfang.
Wenn sich die Situation wieder normalisiert, was “bleibt” von den digitalen Werkzeugen?
Die Tools sind schon ganz in Ordnung, meistens klemmt es momentan eher bei der individuellen Internetanbindung, der technischen Ausstattung der Gegenstelle oder einfach fehlender Routine. Das sind nur noch kleine Schwierigkeiten, die wir bald alle im Griff haben werden. Aber ich vermisse vor allem beim Kennenlernen von Menschen und im ersten Fachgespräch den direkten persönlichen Kontakt. Oft gibt es ja auch eine kurze Führung durch die Betriebs- bzw. Fertigungsanlagen des potenziellen Kunden, was uns als Dienstleister spannende und für die Projekte später wichtige Einblicke gibt. Das möchte ich nicht dauerhaft missen und deshalb bald wieder dazu zurückkehren.
Auf der anderen Seite haben wir aber auch gezeigt, dass viele Arbeitstreffen beispielsweise zur Besprechung von Detailfragen oder Präsentation von Angeboten online gut funktionieren. Ich glaube, dass die Akzeptanz dafür nach der Corona-Krise allgemein höher sein wird und wir ungefähr die Hälfte unserer vertrieblich veranlassten Termine künftig ohne Qualitätsverlust online werden durchführen können.
Herr Edler, mit welchen vertrieblichen Herausforderungen war WAGO in den letzten Wochen konfrontiert und welche digitalen Lösungen haben sie dafür entwickelt ?
Wie viele Komponenten- und Lösungslieferanten im B2B-Bereich setzt auch WAGO auf ein 3-stufiges Vertriebsmodell mit Distributoren, Großhändlern und einem starken Außendienst. Bei uns steht die Verbindung im Vordergrund. Das bezieht sich nicht nur auf die elektrische Verbindung, sondern ganz besonders auch auf die enge Verbindung zu unseren Kunden. Durch die allgemeinen Kontakt- und Reisebeschränkungen können unsere Vertriebsprofis im Außendienst keine Kundenbesuche vor Ort durchführen.
Seit über einem halben Jahr nutzen wir auf Teilen unserer deutschen Website bereits einen Online-Chat, um mit unseren Kunden auch auf diesem Kanal in direkten Kontakt zu treten. Da lag es natürlich nahe, diesen Kanal auszubauen und so den momentan weggefallen direkten Kontakt zu unseren Kunden auf diesem Wege aufrecht zu erhalten und weiter auszubauen. Deswegen sind wir gerade dabei, den Online-Chat weltweit auszurollen. Innerhalb weniger Wochen haben wir so bereits den Chat – zusätzlich zu Deutschland – in 6 weiteren Ländern ausgerollt. Mehr Länder stehen bereits in den Startlöchern.
Wird der Chat auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen? Ändert sich dadurch auch der Kundenkontakt bzw. Vertrieb?
Ich denke, der Chat wird fester Bestandteil unserer Kommunikationsangebote bleiben. Bei der Fragen, wie sich der Vertrieb generell verändern wird, kann ich nur meine persönliche Einschätzung abgeben. Ich glaube, dass der direkte persönliche Kontakt weiter abnehmen wird. Die Corona-Krise zeigt, dass viel mehr Arbeit auch aus dem HomeOffice heraus funktioniert, als wir noch vor 1-2 Monaten geglaubt haben. Dabei möchte ich betonen, dass der persönliche Kontakt erhalten bleibt, nicht aber unbedingt das gemeinsam an einem Ort sein.
An die Stelle von Vor-Ort-Besuchen treten Videocalls, Chats und häufig auch wieder asynchrone Kommunikation wie E-Mails. Je länger der aktuelle Zustand anhält, desto mehr werden wir uns an diese Veränderung gewöhnen und desto seltsamer wird uns das “alte” Modell vorkommen. Besonders aus der Sicht einer Kundin.