Einblicke:
Klimaschutz im Maschinenbau
Komplexe Klimaschutzregulierungen stellen den Maschinenbau vor große Herausforderungen. Insbesondere die Dekarbonisierung der Wertschöpfungskette ist anspruchsvoll. Für die Unternehmen gilt es deshalb, die Aufgabe konsequent anzugehen und die enormen Chancen zu nutzen, die sich aus der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft ergeben.
Ein Gastbeitrag von Alexander Hellwig, Head of Global Content bei IntegrityNext.
Was macht den Klimaschutz im Maschinenbau besonders?
Der Maschinenbau ist eng mit zahlreichen anderen Branchen verflochten und nimmt eine Schlüsselrolle im Klimaschutz ein. Zum einen ist er stark von diversen Vorleistungen und Vorprodukten abhängig. Hierzu zählen vor allem die Metallbeschaffung und -verarbeitung, Mineralien, Kunststoffe, Chemikalien oder elektronische Komponenten. Zum anderen beeinflusst der Maschinenbau maßgeblich die Emissionen seiner Endkunden. Generell ist die Branche sehr heterogen, Produktschwerpunkte und der Grad der Wertschöpfungstiefe können deutlich variieren und Dekarbonisierungserfordernisse und -potenziale somit entscheidend beeinflussen.
In der Regel fällt der Großteil der Emissionen jedoch außerhalb des direkten Einflussbereichs der Maschinenbauer an, d.h. entlang der Wertschöpfungskette. So übersteigt der Anteil vorgelagerter Emissionen (Scope 3) die des eigenen Geschäftsbetriebs (Scope 1 und 2) üblicherweise um ein Vielfaches. Noch stärker fällt der CO2-Fußabdruck während der Nutzungsphase der Maschinen oder Anlagen ins Gewicht (ebenfalls Scope 3). Damit wird deutlich, dass Klimaschutzmaßnahmen am eigenen Standort und in den eigenen Fertigungsprozessen zwar ein erster Schritt sind, aber für einen ganzheitlichen Ansatz bei weitem nicht ausreichen.
Welche Rolle spielen Klimaschutzregulierungen für den Maschinenbau?
Die Liste bestehender und geplanter Regulierungen zur Eindämmung des Klimawandels ist lang. Gerade auf europäischer Ebene hat das „Fit for 55“-Paket des EU Green Deal die Rahmenbedingungen neu definiert. Es beinhaltet ein Bündel an Maßnahmen, die ganz konkrete Auswirkungen auf den Maschinenbau haben.
Da die Energienutzung in der Produktion eine wesentliche Rolle spielt, ist die Branche unmittelbar von den Überarbeitungen der Energieeffizienzrichtlinie, der Erneuerbare-Energien-Richtlinie sowie der Richtlinie zur Energiebesteuerung der EU betroffen. Auch die Ausweitung des EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS) auf den Seeverkehr sowie die Schaffung eines separaten Handelssystems für den Straßenverkehr, Gebäude und weitere Sektoren, voraussichtlich ab 2027 wirksam, werden wichtige Teilbereiche des Maschinenbaus beeinflussen. Nicht zuletzt spielen neue Emissionsstandards für Pkw, leichte Nutzfahrzeuge und Lkw sowie umweltfreundliche Kraftstoffe im Luftverkehr (ReFuelEU Aviation) und im Seeverkehr (FuelEU Maritime) eine wesentliche Rolle.
Wo kommen die Lieferketten ins Spiel?
Eine besonders weitreichende Entwicklung hat die Einführung des CO2-Grenzausgleichmechanismus (CBAM) Ende 2023 angestoßen. EU-Importeure von sechs Produktgruppen, darunter Eisen und Stahl, Aluminium, Wasserstoff und Strom sowie bestimmte damit verbundene vor- und nachgelagerte Güter, fallen unter die Verordnung. Sie mussten bis 31. Januar 2024 zum ersten Mal Emissionsdaten über die aus dem EU-Ausland bezogenen Waren berichten. Seitdem besteht eine vierteljährliche Meldepflicht. Ab dem Jahr 2026 müssen betroffene Importeure für Emissionen, die während der Fertigung in Drittländern anfallen, auch Zertifikate erwerben. Deren Preis ist an das europäische Emissionshandelssystem gekoppelt. Während das EU-ETS jedoch für energieintensive Anlagen gilt, setzt CBAM auf der Produktebene an.
Darüber hinaus haben noch zwei weitere Richtlinien konkrete Auswirkungen auf die Dekarbonisierung der Lieferketten im Maschinenbau. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die damit eng verknüpfte EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) erfordern die Verabschiedung eines Klimaschutzplans, der den Übergang zu einem klimaneutralen Geschäftsmodell bis 2050 gewährleistet. Dies schließt explizit auch Scope-3-Emissionen ein. Nachdem zunächst eine vorläufige Einigung zwischen dem EU-Parlament und dem Rat der EU erzielt wurde, ist die Zukunft der CSDDD aufgrund von Bedenken verschiedener Mitgliedsstaaten gegenwärtig jedoch äußerst ungewiss (Stand Anfang März 2024).
Wie können Unternehmen den Herausforderungen begegnen?
Eine ausführliche CO2-Bilanzierung für die gesamte Wertschöpfungskette bildet die Grundlage für einen konsequenten Klimaschutz. Gerade die Erfassung der Scope-3-Emissionen und damit verbundene Zielsetzungen stehen bei vielen Maschinenbauunternehmen noch am Anfang. Angesichts der zentralen Rolle vor- und nachgelagerter Emissionen kommt ihr jedoch eine besondere Bedeutung zu. Nur so lassen sich die kritischen Hotspots detailliert identifizieren und zielgerichtete Maßnahmen ableiten. Dafür sollten im Idealfall möglichst präzise Daten von den Lieferanten selbst eingeholt werden. Softwarelösungen und automatisierte Plattformen können diese Arbeit erheblich erleichtern.
Eine klimaneutrale Produktion (Scope 1 und 2) ist für die meisten Unternehmen der Branche der erste Anlaufpunkt. Energieeffizienzmaßnahmen, die Nutzung von Abwärme und der Bezug von erneuerbarer Energie, aber auch ressourcenschonendes Design, die Digitalisierung und Vernetzung von Produktionsprozessen sowie die Ausrichtung auf die Kreislaufwirtschaft sind wesentliche Ansatzpunkte. Vorgelagerte Lieferketten können grundsätzlich von ähnlichen Maßnahmen profitieren, vor allem besonders energieintensive Fertigungsschritte wie z.B. in der Metallverarbeitung. Bei nachgelagerten Scope-3-Emissionen können unter anderem Effizienzsteigerungen der Maschinen und Anlagen sowie eine verstärkte Elektrifizierung bei gleichzeitiger Fokussierung auf erneuerbare Energien zu entscheidenden Emissionseinsparungen beim Endkunden führen.
Ergeben sich durch die regulatorischen Entwicklungen auch Chancen für den Maschinenbau?
Generell ist der personelle, bürokratische und ressourcenbezogene Aufwand, den die genannten Klimaschutzregulierungen mit sich bringen, nicht von der Hand zu weisen. Dennoch nimmt der Maschinen- und Anlagenbau eine besondere Schlüsselrolle in der Dekarbonisierung der Wirtschaft ein. Der größte Transformationshebel liegt in der Nutzungsphase der Maschinen (Scope 3). Daraus ergeben sich zahlreiche Chancen und Wachstumspotenziale für die Branche. Denn viele Industrien benötigen völlig neue Produktionsprozesse und Technologien, um die Dekarbonisierung voranzutreiben und den sich verschärfenden Regulierungen zu begegnen.
Der Maschinenbau kann als wichtiger Impulsgeber agieren und mittels grüner, kohlenstoffarmer und effizienter Technologien die Dekarbonisierung nachgelagerter Industrien wie beispielsweise der Stahlproduktion, Metallverarbeitung oder Automobilwirtschaft beschleunigen. Besonderes Potenzial ist im Rahmen der zunehmenden Elektrifizierung, der Nutzung von Wasserstoff, des Einsatzes von Biokraftstoffen und der Kreislaufwirtschaft zu erwarten. Mit proaktiven Ansätzen und innovationsgetriebenen Geschäftsmodellen können Maschinenbauer die Weichen für eine chancenreiche Zukunft stellen.
IntegrityNext ist ein Lösungsanbieter für nachhaltiges Lieferkettenmanagement. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie wir Unternehmen bei der Dekarbonisierung ihrer Lieferketten und der Einhaltung gesetzlicher Anforderungen zur Seite stehen, besuchen Sie uns unter www.integritynext.com.
Foto von Marek Piwnicki auf Unsplash